(B)Logbuch der Ugandareise. Sternzeit : 2. Februar 2012
Tag 6: Snare Removal Project, Kibale Forest National Park

Nach unserer nächtlichen Marathonfahrt von elf Stunden und der nächtlichen Konfusion mit nur drei vorhandenen Zimmern, statt vier oder fünf und gerade mal drei Stunden Schlaf, dafür in einem der größten Betten das ich auf unserer Reise gesehen habe unter einem riesigen Moskitonetz – man könnte fast sagen “Moskitozelt” - wache ich auf und staune wo ich bin. Ein leichter rötlicher Schimmer dringt durch die geschlossenen dunklen Vorhänge mit afrikanischen Mustern. Ich öffne vorsichtig einen der Vorhänge und blicke auf eine schier endlose Ebene, schönste afrikanische Landschaft, große Regenwaldflächen. Darüber erhebt sich ganz langsam die Sonne. Rot und majestätisch. Ich muß mal wieder an den “König der Löwen” denken. Die Comiczeichner haben keine Minute übertrieben, nur dass in Echt alles noch viel schöner ist.Mir stockt der Atem. Ich stehe inmitten des “Dorfes” der Kyaninga Lodge in Fort Portal. Die kleinen Blockhütten aus massiven, hellen Holzstämmen und Reisig zieren den Kamm eines Berges. Ich blicke ins Tal und dahinter erhebt sich langsam die rote Sonne. mein erster, afrikanischer Sonnenaufgang. Langsam färbt sich die Ebene golden. Ich gehe zurück von dem schmalen Holzsteg von meiner Hütte hinein und öffne alle Vorhänge. Auf der anderen Seite stockt ein weiteres Mal der Atem: Im Tal auf der anderen Seite liegt ein riesiger See. Ich kann meinen Blick kaum lösen. Ich habe tatsächlich noch nie ein so schönes Land wie Uganda gesehen.

Nach all meinen “Atemstockungen” bin ich natürlich zu spät dran… Ich laufe über die Holzstege zum Frühstücksraum und merke dass alle spät dran waren.

Wir teilen uns auf. Nikolaus, Michael, Walter, Stu und ich fahren Richtung Kibale Forest National Park, wo sich auf einem Universitätsgelände, das vom Jane Goodall Institut- Austria finanzierte “Snare Removal Project”, ein Projekt zur Entfernung von Fallen im Regenwald befindet. Gregory und Bos führen in der Zwischenzeit Interviews in der Lodge. Es ist unglaublich wie viele Menschen Walter in Uganda kennt, wieviele an den JGI-Projekten beteiligt sind. In den letzten Tagen haben wir mehr Menschen getroffen, als man sich normalerweise merken kann. Aber die Eindrücke bleiben. Menschen, Tiere und Natur verwurzeln sich tief in meinem Kopf.

Ich denke an gestern. Am Weg zurück von den Batwas wollte Felix uns unbedingt noch das Projekt eines Freundes zeigen. David, ein junger Biobauer und Biotierzüchter zeigt uns sein “Land”. Wie oft in Afrika ist an ein Naturschutz- oder Artenschutzprojekt ein “Research Center”, eine Forschungsstation, und vor allem ein “Educational Center”, eine Schule mit angegliedert. Die Kinder lernen über Tiere, über Tierzucht, über den Anbau von Obst- und Gemüse, über die Natur und naturgerechtes Verhalten. Ich wünschte bei uns würden solche essentiellen Dinge “größer” geschrieben.

Der Hof ist unglaublich schön. Auf einem leichten Hügel gelegen. Alles überschauend ein Wohnhaus, das David selbst gebaut hat. Aus “selbst gebackenen” Ziegeln und einem Dach aus Papyrus. Papyrus habe ich hier auch zum ersten Mal in ungepresster, nicht zu Papyrusrollen verarbeiteter Form gesehen. Wie überdimensionale, grüne Pusteblumen säumen riesige Papyrusfelder Ugandas Strassen. Sie sind äußerst widerstandsfähig und lassen sich eng geschlichtet zu wunderschönen Reisigdächern verarbeiten. Wieder einmal Solarkollektoren am Dach. Während wir in Europa und Amerika uns noch Gedanken machen, ob man nicht doch einen SUV als Drittwagen für die hügeligen Großstädte kaufen sollte, scheinen die Afrikaner vielleicht auch aus Ihrer “Not” einen “Tugend” gemacht zu haben. Wie auf Ngamba Island wird hier der Solarstrom gespeichert und mit Ressourcen sehr vorsichtig umgegangen. Bräuchen Menschen immer Not um “tugendhaft” zu sein? Muß es uns also erst schlechter gehen, damit ein großes, nachhaltiges Umdenken stattfindet?

Doch “abgeschwiffen”… Wir besuchen Schweine, Ziegen und Hühner, deren Bestand sehr stark unter Weihnachten gelitten hat. Huhn ist hier das klassische Weihnachtsgedeck. Wir sehen Amaranth und Hirse, Auberginen und Erdbeeren. Darüber erhebt sich in bunten Farben das Educational Center. Ich beginne auch von so einer Farm zu träumen.

Während ich so meinen Farmerin-Tagträumen nachhänge sind wir im Kibale National Forest angkommen. Wie immer in BPT. “Black People Time”. Nur sind wir die einzigen, die immer zu spät kommen. Und entschuldigen uns zum hundertsten Mal in diesem Urlaub. Ein weiteres, dämliches Vorurteil wäre damit widerlegt. Und wäre da nicht unser Fahrer Hassan um uns Beine zu machen, wir wären noch später dran!

Emily Otali erwartet uns schon. Plötzlich läuft mir aus dem Dunkel ein Energiebündel entgegen und umschlingt meine Beine. “Frangipani”, “Pani”(Boni) genannt, Emilys Tochter. In einem durchsichtigen, rot gesäumten Rucksack trägt sie eine große blau-gelbe Stoffblume mit sich herum.

Sechs Männer, die ziemlich finster aussehen (wahrscheinlich weil wir so spät sind :-) ) erwarten uns. Wir stecken uns, wie immer wenn man den Regenwald betritt unsere Hosenbeine in die Socken. Ich trage sogar meine schwarzen, wollenen Ballettstulpen darüber, die auch schon eine Weile nicht in Gebrauch waren und sich über den “Auslauf” freuen. Auch wenn sie angesichts von 30 Grad in der Sonne sicher nicht die beste Wahl sind. Egal. Ameisenbisse à la Regenwaldameise brauche ich wirklich nicht mehr.

Unsere ” Balletkompanie” zieht also los gen Kibale Forest. Der einzige Wald in Uganda der noch alle 12 Primatenarten beheimatet. 1990 begann das Snare Removal Project im Kibale Forest und seit knapp 15 Jahren gibt es auch das Educational Programm dazu, das auf dem Forschungsgrund der Makera University, Kaniawara Field Station angesiedelt ist.

Wir streichen in der Mittagssonne durch den Wald, als einer der Fallenentferner eine gesichtete Falle meldet. Als er uns näher winkt, erkenne ich die Falle mit bloßem Auge gar nicht. Erst als er einige Blätter anhebt und uns genau den schmalen Draht aus einem Elektrokabel zeigt, verstehen wir, was er mit “Head Snare” meint.

Die Falle ist eine Art Schlaufe, 20-30 cm über dem Boden. Wenn ein kleines Tier, wie eine der kleinen Antilopenarten, die “Red or Blue Duikers”, ein kleines “Forest Pig” oder ein ” Warthog” - ein Warzenschwein (“Pumba” für Disneyfreunde) - sich darin verfängt und versucht sich loszureißen, zieht sich die Schlaufe immer enger zu. Die Tiere strangulieren sich dadurch leider fast oder auch ganz.

Nicht nur, dass mir die Idee mit den von mir so geliebten Warthogs gar nicht gefällt, erzählen uns die Ranger auch wie gefährlich diese Fällen für kleine Schimpansenbabys sind, die am Boden herumtollen.

Ich hätte diese Falle nie gefunden. Die Ranger erklären uns, dass es gewisse Zeichen gibt, auf die sie achten, die die Fallensteller hinterlassen, damit sie die Fallen wieder finden. Sie sind perfekte Spurenleser, wissen genau wann ein Blatt geknickt wurde oder eine Ast geschnitten. Sie lesen die Waldelefantenspuren, genau wie die Schimpansenspuren. Einer von ihnen katalogisiert die Schimpansenbewegungen jeden Tag. Die Fallenleger hinterlassen bestimmte angeschnittene Äste als Zeichen. Oder kleine Stöcke. Wie man das im Urwaldwirrwarr entziffert… keine Ahnung!

Die Ranger halten uns zum Weitergehen an. Es gibt hier Waldelefanten, die ziemlich gefährlich sind. Es kommt vor, dass die Ranger einen ganzen Tag im Wald ausharren müssen und nicht zurück können, weil die Waldelefanten ihnen den Weg abgeschnitten haben. Den riesigen Elefantenfußabdruck vor mir und meinen kleinen Fuß darin betrachtend, hoffe ich mal das Beste.

Wir finden eine “Leg Snare”. Ich weiß gerade nicht, was von Beiden ich übler finden soll. Über einem Loch im Boden wird ein kleiner Steg aus Hölzern gelegt. Darauf eine Schlinge aus Draht. Darüber werden Blätter verteilt. Die Schlinge wird an einem nach unten, Richtung des Loches gebogenem Baum oder kleinen Stamm befestigt, der durch eine Hölzchenkonstruktion auf dem kleinen Holzsteg gesichert wird. Tritt ein Tier in die Falle, umschlingt die Schlaufe das Bein, das Holz darunter bricht, wodurch der Baum/Ast nach oben schnalzt und das Tier an einem Bein hängt. Schimpansen sind so stark, das sie sich zwar losreißen können, aber sich dabei Gliedmaßen abreißen können, da sich der Draht immer enger und enger zieht. Da die Schimpansenpopulation ohnedies durch die massive Landrodung sehr gefährdet ist eine Katastrophe. Vor allem für das arme Tier, das stundenlang in diesen Fallen leidet und kläglich verendet.

Es gibt in ganz Uganda (nach dem Census von 2002) noch gerade 5000 Schimpansen aufgeteilt auf 12 Wildreservate. Die Waldfragmentierung - das heißt die Enstehung von kleineren, von einander abgeschnittenen Waldstücken - erschwert ihre Vermehrung zusätzlich. Doch zum Korridorprojekt, der Verbindung dieser Waldstücke, kommen wir später.
Beeindruckend ist, dass einer der Fallenentferner, ein ehemaliger Fallensteller ist. ” It takes a thief to catch a thief” sagt Emily. Und dass es Jahre gedauert hat, bis er er bei den anderen akzeptiert war und vor allem auch bei der Bevölkerung. Normalerweise passen die Fallenentferner die Fallensteller auch ab und sorgen dafür, dass sie rechtskräftig verurteilt werden. Wildern in den Naturreservaten ist nicht erlaubt. Erlaubt ist nur Jagen für den Eigenbedarf vor der eigenen Tür. Schließlich lebten in diesen Wäldern einst die Bataro und die Batschika, zwei Urstämme Ugandas. Ich bin froh, dass man diesen Urvölker nicht ganz ihren ursprünglichen Habitat entreißt. Wie das enden kann sieht man bei den Batwas.

Emily glaubt an ” Conservation through Education”. Für das vom Jane Goodall Institute Netherlands und dem Jane Goodall Institute Austria finanzierte Snare Removal Programm, bedeutet es Gehälter und Equipment für die Angestellten bezahlen zu können. Sie haben damit einen angesehen Job und so hofft man langfristig, alle Fallensteller davon zu überzeugen lieber für die Erhaltung des Urwaldes zu arbeiten.

Ein weiterer Ansporn für globales Umdenken. Wie schön wäre es im Einklang mit der Natur zu leben. Ich fühle mich glücklich bei diesem Gedanken als ich Afrikas Sonnenuntergang von meinem “Balkon” aus betrachte. Im Dunkeln ziehe ich gen Aufenthaltsraum der Lodge los, um mit der besten Reisegruppe der Welt den Geburtstag des großen Mr.Walter zu feiern! Happy Birthday Walter auch anderer Stelle und Danke, dass Du uns alle zusammengeführt hast und wir diese schöne Zeit in Uganda erleben dürfen.
Die Müdigkeit des Tages weicht rotweingetränkter Bettschwere. Ich freue mich auf morgen!