(B)Logbuch der Ugandareise. Sternzeit : 1.Februar 2012 8h- 3h
Day 5 Tag 2 mit den Batwas.

Wir fahren die selbe staubige Strasse hinauf zu den Batwa Pygmäen. Unsere Eindrücke von gestern sitzen tief. Die Bilder der Kinderfüße befallen von Infektionen, Flöhen und Würmern lassen mich nicht los. Wenn man so darüber nachdenkt, wieviel paar Schuhe die meisten von uns besitzen… Hier würde ein paar Schuhe und etwas Desinfektionsmittel oder auch nur die Möglichkeit sich zu waschen um diesen Krankheiten vorbeugen sehr helfen. Die Batwas gehen bei knapp 10 Grad barfuß. Jeden einzelnen Tag.

Wir besuchen heute den vom JGI-A finanzierten Wassertank, der in der Nähe der Batwa-Schule gebaut wurde. Das bedeutet für die Pygmäen nicht mehr barfuß mit Kanistern am Kopf das Wasser von der nächstmöglichen Quelle holen zu müssen. Sie gewinnen Zeit und in Zukunft soll hier mit der Hilfe des JGI-A ein Biogarten angelegt werden. Denn was die Batwa Pygmäen am dringendsten brauchen ist Essen. Ein Biogarten würde Unabhängigkeit und eine Zukunft bedeuten. Einer der Lehrer, Nerson, führt uns danach durch die vier Klassenräume der Schule. Einfache Räume aus Ziegeln aus dem “Soil”, der Erde, in der Sonne getrocknet und danach in großen Öfen gebrannt. Die Dächer mit Reisig bedeckt oder mit einfachem Wellblech. Große Tafeln stehen im Staub an die Wand gelehnt. Vier Lehrer unterrichten Klassen verschiedener Größe.

Ich versuche mich mal als Lehrerin (mein Vater, mitterweile glücklich pensioniert, war Mathematik-, Physik- und Ethiklehrer auf meinem (!!!) Gymnasium). So betrete ich also eine Klasse. Bis auf Michael, der in der letzten Reihe Platz genommen hat, offenbar um seine Grundbildung aufzufrischen, stehe ich vor lauter fragenden Gesichtern, die sich über die “Muzungu”, die “Weiße”, Lehrerin wundern und mich staunend ansehen. Ich versuche es mit einem “Good Morning Everybody”. “Everybody” ist etwas schüchtern. Nerson erklärt das “Spiel”. Dann starten wir durch: “Good Morning Everybody”. Laut schallt mir “Good Morning Sir” entgegen. In vokalisierendem, langgezogegenen ugandischen Englisch korrigiert der Lehrer: “Diis(e) iis noot a Sör. Diis Lady is a Mädäam. Sou:”. Ich “trye again”, wie mir geheißen ein “Good Morning Everybody” und ernte ein ” Good Morning Madam”. Wir schreiten voran mit “How do you do?” (ich glaube DER wichtigste Satz in Uganda. Darauf zu Antworten, sollte man jederzeit bereit sein), über “What is your name?” bis hin zum Zählen von 1-10. Das Finale bildet: ” Her name is Lilian” laut lachend aus fünfundzwanzig Mündern mir entgegengerufen.

Einen Moment lang vergesse ich, wo ich bin. Alles scheint so normal. Man vergisst fast, dass die Kinder hier nicht mal die einfachsten Schulmaterialen besitzen. Hefte “Books” sind Mangelware. Genauso wie  jede Form von Stiften. Schüler lernen durch Zuhören, Wiederholen und Erinnern, wo Schreibmaterialien Mangelware sind. Ich denke an Laptops, Handys, Videospiele und Lärm in unseren Klassen. Konzentrationsmangel und das Unvermögen zuzuhören. Wie sehr Bildung in Europa und Amerika einen “Muß”-Charakter eingenommen hat und hier den größten Wunsch vieler darstellt. Die Hoffnung auf ein besseres Leben.

Ich schweife mal wieder ab….

Seit gestern quälen wir uns mit dem Gedanken, wie man unsere Kleiderspenden am gerechtesten unter den Leuten verteilt. Romie ist aufgeregt. Wir auch. Wir beschließen einen großen Teil der Kleidung einer Famillie zu geben. Wir haben die besondere Ehre in eines Ihrer “Bandas”, ihrer kleinen, runden Stroh- und Reisighäuser eingeladen zu sein. Auf einem Durchmesser von knapp 2,00 Metern schlafen bis zu 8 Menschen. Manche der Männer haben mehrere Frauen. Der Kinderdurchschnitt einer Familie liegt bei 6,5. Ihr Durchschnittsalter beträgt gerade mal 28 Jahre. Eine ohne Kindersterblichkeitsrate. Die “Alten”, so sehr sie danach aussehen sind oft gerade mal 35.
Von der Schule begleitet uns Nerson über einen kurzen Steinweg und einen gras- und steinverwachsenen Abhang hinab zu einer Famillie. Mit den Kameras und den Kleidertüten ein steiler Abstieg. Um eine ausgelöschte Feuerstelle sitzen drei jüngere, eine ältere Frau, ein Mann, drei kleine Jungen im Alter von 5 bis 13 und ein älterer, halblinker Mann. Zwei der Frauen halten ein Baby und ein Kleinkind in den Armen. Zehn Menschen vor einer schier winzigen Hütte. Von Regenschutz keine Spur.

Sie begrüßen uns zurückhaltend, fast schüchtern. Ich packe zusammen mit Walter ein Kleidungsstück nach dem anderen aus der großen Plastiktüte. Ihre Augen beginnen vor allem bei den wärmenden Jacken und Kinderjacken die ich von Elke und Sonja & Alissa bekommen habe zu leuchten. Die Jungs teilen sich die Jacken auf. Egal ob rosa, violett oder pink. Einer trägt dazu Alissas Mütze. Ich mache ein Foto für meine Nichte. Die Schuhe sind wahrscheinlich das wertvollste Geschenk. Ganz neue Schuhe. Nerson meint, wahrscheinlich werden sie sie am Markt verkaufen, obwohl sie sie so dringend bräuchten.

Wir werden als Dank in die Hütte gebeten. Zu siebt sitzen wir im Banda. Die Batwas setzen zu einem Lied für mich an. Wir klatschen gemeinsam. Wir lachen gemeinsam. Lachen ist überhaupt die Universalsprache in Afrika. Ich bin sehr gerührt und dankbar für die Einladung.

Als wir uns verabschieden, zeigt eine der Frauen auf meine dunkle Glaskugel-Kette mit dem kleinen, silbernen Buddha. Auch meinen Shiva an roten Perlen habe ich um den Hals. Ich möchte ihr den Wunsch erfüllen, öffne die Kette und lege sie ihr um den Hals mit einem guten Wunsch für sie und das Baby, das sie auf Ihren Arme trägt. In einem kleinen bunten Sommerkleid. 

Ich denke an unsere Unterhaltung gestern im “Little Ritz” von Kabale, wo wir mit Felix und Romie und Bos saßen. Die Menschen in Uganda sind sehr gläubig. Der Großteil sind Christen, es gibt einige Muslimen und an die 10-15% der Bevölkerung die an “Witchcraft”, eine Art “Schwarzer Magie” glauben. Menschen glauben an den “Bösen Blick” und daran “cursed”, ” verflucht, zu werden. Als wir unsere Liebe zum Buddhismus enthüllen und ich das Wort “Tempel” erwähne, höre ich: “Buddhism?! That’ satanish”. Wir führen eine leidenschaftliche Diskussion darüber, was es bedeutet ein “Buddhist” zu sein, aber an Aussagen über Satan oder in Schlangenform erscheint und dass es wohl kaum christlich sein kann andere zu diskriminieren, scheiden sich die Geister. Definitiv ein in Uganda nicht anzuschneidendes Thema. Wir haben einen weiteren Unterschied in der Kultur gefunden. Am nächsten Tag erfahre ich von Bos, das die Menschen, die an die “Witchcraft” glauben, an mehrere Naturgötter glauben. Ich beginne zu begreifen, warum sie den Buddhismus vorurteilsbehaftet verdammen.
Witchcraft ist Teil des Alltags. Es gibt Beiträge in den täglichen Nachrichten. Menschen werden dafür vor Gericht verurteilt. Ein schwieriges Thema. Zu schwierig um es mit unserer wenigen Erfahrung wirklich zu beurteilen.
Man ist einfach sprachlos, wenn eine Batwa- Frau vor einem sitzt und einem erklärt, das ihre Entzündung an den Beinen daher stammt, das sie verflucht wurde. Und sie nicht das Geld besitzt, um den Fluch wieder lösen zu lassen. Man weiß nicht, wie man helfen soll.
So denke ich darüber nach, als ich den kleinen silbernen Buddha um den Hals der Batwa- Frau baumeln sehe. Möge sie keinen Ärger damit bekommen. Aber sie freut sich so sehr über die Kette. Also was soll’s. Vielleicht der Beginn der Völkerverständigung :-)

Bos übersetzt mir, was die Batwas gesungen haben. Ein sehr persönliches und spezielles Lied. Darüber wie sehr sie sich freuen, dass wir in ihrem Haus sind. Und dass sie uns nie vergessen werden.
Ich werde die zwei Tage bei den Batwas auch nie mehr vergessen und wünsche mir verstanden zu haben wie wir helfen können.

Die restlichen Kleider und leichten Medikamente geben wir Romie. Sie weiß am besten was zu tun ist. Helfen muß man auch erst lernen.

Auf der längsten Fahrt durch Uganda, 11 Stunden über Stock und Stein, können wir lange darüber nachdenken. Und als ich endlich um 3 h früh in Kibale, Fort Portale, sind warte ich mal wieder als letzte im Urwald auf mein Zimmer. Aber ich liebe dieses Land. Es ist wunderbar und echt.