(B)Logbuch der Ugandareise. Sternzeit: 31.Januar  2012   Day 4,  Kabale & Muko Forest, Lake Bunyonyi

58 Kilometer Fahrt von Kabale in den Muko Forest nahe dem Lake Bunyonyi liegen vor uns. Mitterweile sind wir 9: Romie ist bei uns, sowie Bos und nun auch noch Felix. Bos ist Romies Cousin mütterlicherseits. Felix ebenso, nur väterlicherseits. Felix leitet ein Tourismusbüro in Kabale, stammt aber aus einem der an das Batwagebiet angrenzenden Dörfer und versucht zusammen mit  Walter und Romie, die als Repräsentantin des JGI-A der Ansprechpartner in Uganda und insbesondere für die Batwas ist, dem Urvolk Afrikas einen Lebensraum zu erhalten, zu schaffen und Entwicklungshilfe im wahrsten Sinne des Wortes zu leisten. Hilfe zur Selbsthilfe. Mögen die Batwas eines Tages nicht mehr auf Hilfe angewiesen sein. Das wünschen wir uns alle.

Romie bewundere ich sehr. 23, eine strahlende, mutige, junge Frau voll Energie. Eine Kämpferin mit einem großen Herz. Umso mehr, als ich die Rolle der Frauen hier in Uganda nicht einfach finde. Die Struktur ist patriarchalisch. Viele Frauen haben oft nur die Rolle der Mutter, der Köchin. Als ich Felix darauf anspreche sagt er: “They admire us naturally, we don’t make them do this”. Ich denke einfach, sie kennen es nicht anders, und haben wenig Möglichkeit aus ihrer Rolle herauszutreten. “in Uganda the women sit on the  floor, the men on the chair” – ich antworte Felix, dass in unserem Land, die Frauen auf dem Stuhl sitzen und die Männer stehen.

Ich finde es auch reichlich seltsam, dass spät nachts im Hotel ankommend, die weibliche Hotelangestellte erst allen Männern persönlich ihr Zimmer zuweist, während ich mit Gepäck bis über meinen Schädel wachsend (´nein, ich veranstalte keinen Fashioncontest in Afrika, obwohl ich genug Kleidung dabei hätte. Es handelt sich dabei um die Kleiderspenden) unten an der Treppe stehen gelassen werde. Auch mitten im Urwald, fand man(n) das ganz normal. In mir beginnen mein Stolz und meine Wut einen hübschen “Emanzipations-Eintopf” zu kochen. Ich frage mich, wie es den Frauen hier wirklich geht?! Ich habe meine zwei Gentlemen in Gestalt von Stu und Greg, die mich bis zu meinem Zimmer bringen und nicht zulassen, dass ich das “Weiblein allein im Walde ganz still und stumm” bin. Die Frauen hier erscheinen zurückgezogener, scheuer. In ihre Rolle zurückgedrängt.

Ich danke auf meinem Rucksack sitzend, auf die Rückkehr meiner Zimmerzuweiserin wartend, in Gedanken Alice Schwarzer dafür in Europa als Frau leben zu dürfen. So sehr ich mich in Uganda verliebt habe missfällt es mir. Umso mehr bewundere ich Lily, Romie und Emily und die anderen starken Frauen, auf die ich hier in Uganda treffe. Wenn ich daran denke, dass einmal verheiratet (der Ehemann bezahlt bei der Hochzeit eine Art “Aussteuer” an die Eltern der Braut), die meisten Frauen hier Kinder und Feldarbeit und Haushalt “schmeissen” und Unglaubliches leisten, bin ich umso mehr beeindruckt.

Ich wünsche mir, dass junge Frauen bei uns sehen können wie glücklich wir uns schätzen können und wie privilegiert wir als Frauen in Europa sind, anstatt dem nächsten photogeshoppten Hochglanz-Vorbild nachzueifern, eine “goldbebuchstabte” Designertasche, um das Jahresauskommen eines Batwakindes, die trotzdem “made in der Dritten Welt durch Kinderhände ist” sein höchstes Glück zu nennen und statt in Bildung lieber in ein paar Silikonbrüste investiert.”Living Dolls” eben. Wie es Natasha Walter so schön nennt… Doch ich schweife ab…. Pardon, aber so war das eben auf meinem Rucksack sitzend um 2:00 früh gestern Nacht.

Romie hat mir Walter von Spendengeldern des JGI-A 175 Wolldecken gekauft und den Transport in das abgelegene Batwa-Dorf organisiert. In dem auf 2200 Metern Höhe gelegenen Dorf kann es sehr kalt sein. Die Batwas leben in einfachen Hütten aus Lehm und Reisig. Die meisten Kinder laufen barfuß. Infektionen an den Füssen sind die Regel. Es gibt eigentlich keine medizinische Versorgung. Ein Volk, wie die Batwas, die Jahrhunderte lang im tropischen Regenwald überlebten und das nun, ihrer Lebensgrundlage beraubt, auf der Suche nach einem neuen Leben ist. Die Armut ist grenzenlos. Die Kinder froh und glücklich, das sie in der vom JGI-A mitfinanzierten Schule jeden Tag ein warmes Essen bekommen. Hunger ist Alltag. Mit einem Euro am Tag, könnte ein Batwa Kind hier ein besseres Leben führen. Ich habe mich schon für eine Patenschaft entschieden.

Als wir ankommen kommen uns wie Späher schon die ersten Kinder entgegen gelaufen. Alle haben sich am Platz vor der Schule versammelt. Wir steigen aus dem Auto und sind umringt von Kindern. Einer der Lehrer und der Kirchenvorstand begrüssen uns mit einer langen Rede. Darüber berichtend, was sie brauchen und wie dankbar sie Mr. Walter sind. Die Rede wird uns sogar auf Papier mit Unterschrift und Stempel überreicht.

Die Trommeln und Bongos werden ausgepackt. Gesang und Tanz beginnt. Im von stampfenden, tanzenden Füßen aufgewirbelten Staub springen die Batwas uns freudig begrüssend auf und ab. Ich habe einen Deal mit Romie: wenn sie tanzt, tanze ich auch. Also klatschen und tanzen wir mit.

Romie ist nervös. Die Deckenverteilung soll in der Kirche statt finden. 175 Decken für 300 Menschen. Pro Famillie ein bis zwei Decken, abhängig davon wieviel Kinder zu einer Famillie gehören.

Wir bauen nahe des Altarbereiches einen Wall aus Decken auf. Nur Romie und ich. Plötzlich dreht sich die kleine Romie um und herrscht laut die Männer in einheimischem Dialekt an. Ich verstehe kein Wort. Erst als sich die vier Männer, die uns zugesehen haben beschämt erheben und zupacken, verstehe ich, was Romie da getan hat und muß innerlich sehr lachen. Ich liebe dieses Frau!  Zugegeben jetzt geht es schneller.

Jede Famillie wird einzeln aufgerufen. Die Männer, Frauen und Kinder betreten Famillie nach Famillie die Kirche. Erst jetzt fällt mir auf, wie abgeschlissen ihre Kleidung ist. Wie gezeichnet ihre Gesichter sind. Wie müde und traurig sie wirken. Die Freude über die Decken zaubert ein Lächeln in viele Gesichter. Die Verzweiflung treibt zum Betteln um mehr. Es ist schwer auszuhalten, dass man eigentlich nicht genug tun kann, um ihr Elend zu mindern.

Wir wünschen uns nur, das kein “Run” auf die Decken beginnt. Alles geht soweit gut. Erst am Schluß werden die letzten 20 Decken von den verbleibenden in einem wilden Geraufe untereinander entrissen. Trotzdem: viele sind sehr glücklich. Romie auch. Wir auch. Walter und Romie hatten eine großartige und wichtige Idee.

Die Kleidung, die wir gesammelt haben, heben wir uns für morgen auf.